Mann - Der fromme Tanz by Unbekannter Autor

Mann - Der fromme Tanz by Unbekannter Autor

Autor:Unbekannter Autor
Die sprache: deu
Format: epub


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Beim Abendessen im gotischen Speisesaal ging es höchst angeregt zu. Die Hofrätin war in großer Abendtoilette erschienen, über ihren Formen glitzerte Silberbrokat und ihre weißen vollen Anne waren nackt. Sie hatte auch Silber im Haar, etwas altmodisches Blumenwerk und Augenlider, Lippen und Wangen hatte sie sich dezent geschminkt. — Fräulein Franziska ihr gegenüber in starrem Weiß war von heftigerer, grellerer Pracht.

Doktor Zäuberlin war von unheimlicher Heiterkeit, er quiekte wie Mäuse, krähte wie alle Gockelhähne der Welt auf einmal, bekam dazwischen eine schnarrende, böhmische Stimme und erzählte Scherze mit ihr. Die Damen nannte er: »Meine Sanfte — meine Gute —« und er schenkte ihnen mit plötzlich ehrfurchtsvoll gesenktem Vogelkopf vom Rotwein in ihre Gläser. So sah er aus wie ein Hexenmeister, der zwischen viel Unfug und nicht geheurem Gewitzel mit flüchtigem, aber intensivem Ernst einen Liebestrank braut für die schönen Damen.

Aber Niels hatte einen blauen Anzug an mit einem kleinen, weißen Umlegekragen, in dem er halb wie ein junger Seeoffizier wirkte und halb wie der Zögling eines englischen Internats. Über den ganzen Tisch hin flirtete er mit Fräulein Franziska. Er fragte sie nach gemeinsamen Berliner Bekannten, er lachte laut über das, was sie von ihnen erzählte, und seine Stimme ging hell durch den Raum. — Aber plötzlich hob er, noch lachend über etwas, was Fräulein Franziska sachlich geäußert hatte, das Weinglas gegen Andreas: »Prost, Kleiner —« rief er und lachte noch herzlicher, weil dieser erschrak. — Das Glas, das Andreas ihm entgegenhielt, zitterte so sehr in seiner Hand, daß Wein verspritzt wurde über das Tischtuch. Niels’ Lachen war ansteckend. Die Hofrätin, den Kopf mit dem schweren Haar ein wenig zur Seite geneigt, lachte schelmisch und mit Grübchen in beiden Wangen. Das Lachen widerhallte sonderbar an der gewölbten Decke. Doktor Zäuberlin allein saß bitterernst, sein Mund war ein messerschmaler, böser Strich in seinem Gesichte. Sein kleiner, schwarzer Blick lief rasch, gehässig und ohne daß es jemand hätte merken können zu Niels hinüber, der in seinen Stuhl zurückgelehnt Tränen lachte. —

Nach aufgehobener Tafel saßen beim Mokka Andreas und die Hofrätin ein wenig beiseite. Mit leisem Eifer sprach die Dame auf ihren jungen Gast ein. »Sie werden sich vielleicht über manches wundern, was Sie hier sehen«, sagte sie und neigte sorgenvoll das schöne Gesicht, »und es wird Ihnen zum Beispiel vielleicht nicht klar sein, wie ich mit Niels stehe —« Sie hatte sich ein schwarzes Seidencape umgelegt und fröstelte, obwohl sie sich tief in seine Falten schmiegte. »Mein einziger Wunsch ist es ja, ihn nun wirklich zu adoptieren, so daß unser Verhältnis nicht länger dem bösartigen Mißverständnis der Leute ausgesetzt ist. Die Bauern reden so«, sagte sie geheimnisvoll und erschauerte in den Falten ihres Mantels. »Ach — die Bauern der Umgegend —«

Drüben unterhielt Doktor Zäuberlin Fräulein Franziska, indem er klein, gebückt und o-beinig im Seemannsgang einherwatschelte. Dazu redete er, die Pfeife im Mund, plattdeutschen Dialekt und stellte volkstümlich-derbe Forderungen an Fräulein Franziska, die darüber rauh lachen mußte.

»Auch Doktor Zäuberlin macht mir so häufig Vorwürfe«, sagte die Hofrätin zu Andreas, und um ihren Mund zuckte



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